Am 28.05 fand die vorletzte Runde der diesjährigen offenen Stadtmeisterschaft statt. Selbst nach 8 Runden kann man niemanden im Vorraus zum Sieg gratulieren, da Thomas Schmidt mit „nur“ einen halben Punkt vorne liegt. Dahinter befindet sich Dirk Maleska und dann mit erneut einen halben Punkt Abstand Oliver Fritz. Es wird demnach auf die letzte Runde ankommen müssen, um einen definitiven Sieger festzustellen!
Hier die Ergebnisse in einer Kurzübersicht:
Und dazu die passende Tabellensituation:
Die 9. Runde findet am 18.6 statt, die Auslosung für diese am 11.6.
Zum Nachspielen
Thomas Schmidt – Michel Langner : 1-0
Michel überlegt gerade, was er auf Sd2 von Thomas antworten soll. Er wird sich für Lb4 entscheiden. Im Hintergrund wagt Holger einen Blick auf die Stellung.
Thomas wählt erneut die Bird-Eröffnung, welche nicht so „geplagt“ von Theorie ist wie andere Eröffnungen und kann damit zu Anfang der Partie einen Teilerfolg erzielen: Er ist besser aus der Eröffnung gekommen. Doch Michel bleibt kreativ und versucht irgendwie Gegenspiel zu schaffen. Bloß hätte er statt den Turm auf g8 zu spielen rochieren können, um im Spiel zu bleiben. Thomas bleibt den Prinzipien treu, sodass wir nach 20 Zügen folgende Stellung auf dem Brett haben:
Thomas wählt einen einfachen, logischen Plan, der allerdings äußerst zielführend ist. Zunächst klärt sich die Lage am Königsflügel, währenddessen schielen die Figuren von Weiß auf dem Damenflügel. Dann, als definitiv kein Gegenspiel am Königsflügel geschehen kann, entscheidet sich Thomas, gegen den eingesperrten Läufer auf a7 zu spielen (siehe Diagramm oben). Für Michel ist dies ein ziemlich hoffnungsloses Spektakel, da er nur zuschauen kann, wie alles zerbricht. Erneut eine Partie, in der ein Fehlgriff konsequent ausgeschöpft wurde!
Lutz Kania – Dirk Maleska : 0-1
Lutz hat gerade seinen Turm auf e1 gestellt, Dirk wird seinen Springer auf f6 entwickeln.
Diese Partie wurde freundlicherweiße von Dirk kommentiert und mir geschickt. An dieser Stelle noch einmal recht herzlichen Dank! Deshalb möchte ich in Dirks Worten diese Partie beschreiben:
(…) eine aufregende, auch positionell wie taktisch lehrreiche Partie. Für die Berechnungen der taktischen Scharmützel rund um die entscheidenden Züge 25 – 29 hätten beide Spieler viel mehr Zeit gebraucht. Diese Zeit jedoch hatten sich die Spieler ja schon am Anfang der gut angelegten Partie abgerungen. Insofern ist wieder einmal deutlich geworden, dass gute Zeiteinteilung für uns Turnierspieler ebenso wichtig ist wie fleißige Eröffnungsvorbereitungen und solide Partieanlagen. Zum Ende der Partie, im Turmendspiel war die Stellung nahezu ausgeglichen und hätte für die Partie wohl eher ein leistungsgerechtes Remis bedeutet !
Und ein weiteres Zitat aus den Kommentaren von Dirk, welches ich vor der Partie platzieren möchte:
Eines wusste ich schon vor der Partie mit Lutz : Er spielt diesmal ein
brilliantes Turnier – motiviert, gut vorbereitet, taktisch versiert und immer
mutig nach vorne ! Vor der 8. Runde hatten wir beide 5 Punkte aus 7 Partien
gesammelt. Ich erwartete 1. c4, weil Lutz in seinen Partien zuvor auch so
eröffnet hatte – denkste ! Lutz donnerte mir lächelnd 1. e4 ! aufs Brett, wohl
wissend, dass wir beide gerne Skandinavisch spielen, ich selbst mittlerweile
seit fast 40 Jahren. Er sagte dann eingangs der Partie ganz listig : „Ich
spiel‘ das aber nicht so wie du 🙂 !“ Bäm – Kampfansage, super ! Spätestens
nach 4. b4 ! beschloss ich, sehr gründlich zu rechnen, weil Lutz den Zug recht
schnell aufs Brett gezaubert hatte – doch zur Partie:
Peter Nissen – Oliver Fritz : 1/2-1/2
Oliver hat gerade den Turm auf d1 geschlagen, weshalb Peter mit der Dame zurückschlagen wird.
Diese Partie fängt scharf an, da Sizilianisch auf’s Brett geworfen wird. Beide Seiten zeigen Erfahrung und spielen den beschleunigten Sizilianischen Drachen nahezu reibungslos, mit leichteren Vorteilen für Oliver. Keine Seite hat wirklich ein potentielles Ziel und die einzige Ungleichheit in der Stellung ist, dass Oliver einen e-Bauern für Peter’s c-Bauern besitzt. Nach einigen Abtäuschen hat Weiß die etwas gesündere Bauernstruktur, was allerdings nicht für etwas Größeres als Remis reicht.
Nahmen Christiansen – Guido Heinemann : 1-0
Guido hat gerade Td3 gezogen, weshalb Nahmen mit Tbc1 den Springer deckt.
Für Guido’s Stil eher ungewöhnlich antwortet er auf e4 mit der Caro-Kann-Verteidiung, in welcher Nahmen die Zweispringer-Variante einleitet. Guido wählt eine theoretisch eher selten gespielte Variante, die bei Weißen Spiel total ungefährlich ist. Nahmen find die korrekte Antwort und kann früh einen Bauern gewinnen. Durch einige geschaffene Schwächen und Anhäufung von kleineren Fehlern kann Guido den Bauern zurückgewinnen und mit seinen Turm in das gegnerische Lager eindringen.
Nach einigen Abtäuschen befinden wir uns mehr oder weniger in einen Endspiel, wo die Bauernstruktur gleich ist aber Guido einen Läufer gegen Nahmen’s Springer hat. Theoretisch ist das Remis, aber das muss man in der Praxis unter echten Bedingungen erst einmal beweisen! Nach der Zeitkontrolle ist das Endspiel immernoch ziemlich ausgeglichen:
Als Referenz: Die Stellung nach den 40. Zug von Schwarz:
Guido gelingt es, die gegnerischen Bauern am Damenflügelm auf schwarzen Felder zu fixieren, damit sie in Zukunft vielleicht mal ein Ziel des Läufers sein könnten. Die Bauern am Königsflügel sind ebenfalls auf schwarzen Feldern fixiert, was auch eine Rolle spielen könnte. Dabei muss man jedoch genauso beachten, wie weit hinten die stützenden Bauern sind ( auf a3 und auf h2 ), von daher wird es extrem schwer sein, hier etwas zu finden.
Nahmen auf der anderen Seite kann mit seinen Springern zwar Drohungen errichten und Chaos stiften, allerdings muss in einigen Fällen der a3 Bauer durch den Springer gedeckt bleiben, weshalb hier eine Einschränkung beider Seiten gegeben ist. Aus Engine-Sicht ist das Spiel von daher „tot Remis“. Aus menschlicher Sicht sind die Springer allerdings trickreicher und man muss höllisch aufpassen.
Was kann Schwarz hier spielen, um die Partie Remis zu halten?
Einizge Züger später schon die nächste kritische Stellung: Was macht Schwarz nun?
In der Partie wurde ein anderer Weg gegangen, der zum Verlust führte. Mit dieser Partie wird meiner Meinung nach die Wichtigkeit des Endspiels hervorgehoben. Die Auflösung für die Diagramme gibt es wie immer als Variante beim Nachspielen!
Holger Martens – Michael Kläve : 0-1
Michael hat gerade d5 gezogen. Holger wird mit seinen c-Bauern schlagen.
Dieses Spiel läuft anfangs ruhig, wie es in Englischen Eröffnungen eher typisch ist. Erst einmal bauen sich beide Seiten auf. Michael kann etwas mehr Raum im Zentrum gewinnen, weshalb er zu Anfang leicht besser steht.
Das Spiel schwenkt in den Damenflügel, da die c-Linie geöffnet ist. Holger stellt fast schon provozierend seinen Turm auf c5, was einen strukturellen Wandel zur Folge hätte, wenn dieser Turm getauscht würde.
Was kann Schwarz hier probieren?
Ab hier nimmt das Spiel auf einmal an Tempo zu. Die eine kritische Stellung jagt die nächste.
So hat Holger hier Se5 statt Sc5 gespielt. Wie kann Schwarz das taktisch ausnutzen?
Das Thema mit den Läufer und der Dame, was im Diagramm abgebildet ist, bleibt während der Partie erhalten. Ich saß einige Plätze weg von Holger und konnte ihn sagen hören:“Ich wusste, das soll ich nicht machen, aber dann habe ich nicht mehr daran gedacht“. Dies ist nicht nur als Schachspieler ein Gefühl, was man kennt! Ich zum Beispiel erleb es auch oft, dass ich mir sage „du kannst so viele Züge machen, aber bloß niemals genau diesen einen Zug!“, folglich führe ich dann genau den Zug aus, den ich nicht sollte. Da hilft nur Fassung bewahren und es beim nächsten Mal besser machen!
Rainer Schwarz – Benjamin Isler : 1-0
Rainer hat gerade d4 gezogen, woraufhin Benjamin seinen Springer auf c7 besser platziert.
In einer eher Reti-Orientieren Eröffnung hat Rainer durch ein frühes f5 von Benjamin gue Karten. Er gewinnt seinen temporär geopferten Bauern zurück und erschafft sich mit einen Doppelfianchetto große Kontrolle über die zentralen Felder. Deshalb hätte Benjamin folgende Chance nutzen können:
Sollte Schwarz die Läufer tauschen oder behalten?
Durch f5 wurde das Feld e6 zu einer Schwäche von Schwarz, der selber nie richtig zu e6 kam. Trotzdem hat sich die Lage entschärft und die Stellung balanciert sich zum Ausgleich. Rainer hat die deutlich leichtere Stellung zu spielen und kann fortan Druck ausüben, was zu folgender Ungenauigkeit von Benjamin kommt:
Was könnte Schwarz spielen, um im Spiel zu bleiben?
Danach findet Rainer die akkuraten Züge, die Benjamin in eine Gabel locken, was die Aufgabe zur Folge hatte.
Jürgen Nickel – Malte Jensen : 1/2-1/2
Ich hatte gerade Sf5 gezogen, danach hat Jürgen seinen Läufer nach h2 zurück gestellt.
Wir spielen das Londoner System, was schon öfter in diesen Turnier von verschiedenen Spielern ausprobiert wurde. Die Stellung verspricht, ein langes und positionielles Spiel zu werden, doch dann kam ein frühes h4 von Jürgen und stellte mich auf ein anderes Spiel ein. Wir erreichen dann eine Stellung, in der ich eine kleine Fehlentscheidung trief.
Welchen Plan sollte Schwarz hier verfolgen?
Nach einigen harmlos aussehenden Zügen dachte ich, alles sei in Ordnung und wir kehren zurück zu den langen und positioniellen Spiel. Aber dann kam es doch ganz anders!
Beurteilen Sie folgende Stellung für Weiß: Wie angebracht finden Sie Lxh7? Könnte der Zug funktionieren?
Danach wurde die Stellung interessant. Es entstand ein Ungleichgewicht, zwei Bauern gegen eine Figur. Das temporäre Problem für mich in diesen Fall wäre, dass der Läufer auf b7 nicht im Geschehen ist. Deshalb muss man sich erst um die Mehrbauern am Königsflügel kümmern, um danach die Mehrfigur zu aktivieren.
Zunächst lockte ich die Bauern gefährlich nahe an die achte Reihe, um sie im letzten Moment einzusacken. Ich zweifelte kurz an meinen Plan, weil ich dachte, ich könnte schneller gewinnen, doch dann bot mir Jürgen in folgender Stellung Remis:
Weiß hat Txg5 gespielt und Remis geboten. Würden Sie annehmen?
Das Spiel blieb trotzdem gefährlich, da mittlerweile ein Bauer auf h7 steht! Ich hatte gesehen, dass wenn ich mit den einen Turm schlage, ich in eine Gabel gelange, aber habe dann einfach mit den anderen Turm geschlagen. Das Problem ist, dass die selbe Gabel dann funktioniert!
Schwarz sollte h7 nicht schlagen, was kann er stattdessen spielen?
Ab dann war Jürgen am Drücker, hat mir aber erneut Remis geboten, was ich nach zögerlichen Nachdenken angenommen habe.
Gerhard Kühnen – Nikolaj Bolgov : 1-0
Nikolaj hat gerade auf b4 geschlagen, Gerhard wird mit den a-Bauern wieder nehmen.
In einen Damengambit ohne Sc3 tauscht Nikolaj seinen Springer gegen den schwarzfeldrigen Läufer von Gerhard, welcher im Gegenzug eine halboffene h-Linie erhält. Durch einige kleine nicht akkurat gespielte Züge, die für das Zentrum spielen, gelangen wir zur Stellung im Bild. Als Gerhard mit den a-Bauern zurückgeschlagen hat, spielt Nikolaj Sc8 und hofft, diesen über b6 nach d5 stellen zu können. Gerhard schließt in der Zwischenzeit das Zentrum und bringt seine Dame auf den Königsflügel. Der Angriff scheint aufzugehen, Nikolaj kommt in Bedrängnis.
Im 24. Zug von Weiß hätte Gerhard schon einen massiven Vorteil erlangen können. Wie?
Als Gerhard den Bauern nicht geschlagen hat, hätte Nikolaj dies ausnutzen können, indem er den Bauern vorzieht. Eine sehr interessante Verteidigungs-Resource, wie ich finde! Danach ging der Plan von Gerhard nicht mehr auf, aber Nikolaj glaubte trotzdem daran und verhalf damit schlussendlich Gerhard zum Sieg. Eine tolle Partie!
Kurt Boß – Arno Urban : 0-1
Arno wird hier c6 spielen, wäre auch etwas Besseres möglich gewesen?
Kurt wiederholt seinen „Fingerfehler“, den er bei der Simultan-Vorstellung von WGM Melanie Lubbe schon angewandt hatte. Diesmal muss der Londoner Läufer in die Röhre gucken. Die Stellung ist trotzdem spielbar und damit halb so wild. Arno kann einen Bauern ergattern und steht nach der Stellung im Bild oben am Zug deutlich besser. Mit einen Turmtausch hätte Arno wahrscheinlich schneller den Sieg holen können, doch sein Weg alles abzutauschen ist am Ende genau so effektiv gewesen.
Als dann folgende Taktik für Kurt nicht aufging, war es um ihn endgültig geschehen.
Schwarz am Zug gewinnt eine Figur.
Viel Spaß beim Nachspielen!
Florian Tent – Otto Jepsen: 1-0
Florian hat gerade Ke4 gespielt und Otto greift nach Tb1. Man beachte, dass Florian wie gewöhnlich zu schnell spielt, da er durch das 30-Sekunden-Inkrement bereits 1:47 besitzt, obwohl man mit 1:40 startet!
In dieser Partie kommt Otto durch ein frühes f6 schnell in Gefahr, verliert erst zwei Bauern und dann eine Qualität. Otto kann nur hoffen, dass die Dame auf h8 nicht mehr am Spiel beteiligt ist. Und tatsächlich! In folgender Stellung hätte Otto sehr aktiv spielen können:
Was kann Schwarz hier spielen, um die Initiative an sich zu reißen?
Diese Chance verpasst, ist das Spiel quasi vorbei. Es ist allerdings ratsam, gerade als Anfänger die Spiele zuende zu spielen, um die meiste Erfahrung aus jeden Spiel sammeln zu können.